im Mietshäuser Syndikat

Schlagwort: stadtpolitik Seite 1 von 2

Rückzug und Blick nach vorn

Es war ein schwerer Schritt, ein bitterer Schritt – aber ein notwendiger Schritt.

Wir haben uns als Linse-Hausprojekt/INES e. V. aus dem Konzeptverfahren Schöneberger Linse zurückgezogen.

Unser Rückzug ist kein Scheitern. Wir bewahren uns damit die Möglichkeit, in Zukunft ein Haus zu verwirklichen, das sozial vielfältiger und stabiler, finanziell tragfähiger und konzeptionell näher an unseren und auch an den realen Verhältnissen der Stadt ist, als es in diesem Verfahren möglich gewesen wäre.

Bis zuletzt haben wir gehofft, unter der rot-rot-grünen Landesregierung würde sich der im Verfahren angelegte Grundwiderspruch eines hohen Verwertungsinteresses der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) und dem formulierten Ziel einer nachhaltigen und sozialen Stadtentwicklung auflösen – oder zumindest abschwächen.

Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt.

Wir sind weit gekommen, aber die abschließenden Kaufverhandlungen führten zu keinem akzeptablen Abschluss. Ein hoher Bodenkaufpreis, der sich an einem intransparent zustande gekommenen Verkehrswert orientiert und eine branchenunübliche Risikoverteilung zu Lasten des Käufers, hätte ein sehr teures Haus mit hohen Mieten und zudem ein risikoreiches Gesamtprojekt ergeben. Dies konnten und wollten wir uns und unseren Projektpartner*innen, aber auch unseren Kreditgeber*innen nicht zumuten.

Konzeptverfahren diesen Zuschnitts bieten Projekten nach dem Miethäuser Syndikat Modellkeine Chance und konterkarieren die ausgegebenen Ziele der Landesregierung. Sie bleiben am Ende der Verwertungslogik einer Immobilienbranche unterworfen, die sich um die sozialen und stadtstrukturellen Folgen ihre Geschäftspolitik nicht scheren muss. In diesem Konzeptverfahren lässt sich keine nachhaltige Politik und auch keine neue Weichenstellung in einer hochdynamischen, für das Gros der Einwohner*innen dieser Stadt jedoch prekären, Situation erkennen. 

Wir werden uns in Zukunft verstärkt in die Stadtpolitik einmischen, um gemeinsam mit anderen Akteur*innen daran mitzuwirken, dass es in Berlin wieder möglich ist, bezahlbaren Raum zu schaffen, der nachhaltig günstige Mieten für Wohnen, Kultur und soziale Projekte bietet – und im Fall von Mietshäuser Syndikat Projekten diese Mieten auch dauerhaft garantiert. Dafür werden wir das Konzeptverfahren eingehend analysieren, und unsere Ergebnissen in die Öffentlichkeit tragen.

Für uns und unser Hausprojekt suchen wir jetzt nach neuen Horizonten, nach Gelegenheiten, unseren Traum doch wahr werden zu lassen. Wir sind weiterhin stark motiviert und treffen trotz der weggebrochenen, konkreten Perspektive „Schöneberger Linse“, auf das anhaltende Interesse vieler Menschen, uns zu unterstützen oder Teil unseres Projekts zu werden.

Wir bleiben das Linsen-Hausprojekt und schauen nach vorn.

Der ein oder andere Silberstreif zeigt sich schon.

Anschreiben zum Ausstieg an die BIM Ausstieg Schöneberger Linse

f*ines

Jetzt erst recht: Solidarität statt Verteilungskampf!

Es ist geschafft! Die bisher anspruchsvollste Hürde im Verfahren ist genommen. Wir haben den richtigen Punkt erwischt und hui, kraftvoll und anmutig zogen wir im perfekten Bogen über die Hürde hinweg!

Von wegen … Es war ein Kampf und manchmal auch ein Krampf, mit den formalen und inhaltlichen Anforderungen in der zweiten Verfahrensstufe klarzukommen.

Für Menschen, die sich nicht seit Jahren in der Bau- und Ausschreibungsbranche bewegen, ging es in dieser Phase des Verfahrens zunächst einmal ums Dechiffrieren der Unterlagen, ums Übersetzen und Verstehen. Mit Schwarmverstand, gutem Willen und fachkundiger Beratung ist uns dies gelungen. So manche Erkenntnis hätten wir uns in diesem Prozess gerne erspart. Zu oft zeigten sich im Detail – wie im Großen und Ganzen auch – die Grundwidersprüche des Verfahrens. Mit ihnen galt es einen konstruktiven Umgang zu finden. Oder hinzuschmeißen, so wie es manche Mitbewerber*innen gut begründet getan haben. 

Bei allen Widrigkeiten hat sich in unserem Fall jedoch eine positive Dynamik durchgesetzt. Wir vermuten, dass die BIM (Berliner Immobilienmanagement GmbH) eine ausgeklügelte Strategie verfolgt und ihre Verfahren in einer Weise anlegt, die bei den Bewerber*innen eine besondere Gruppendynamik hervorrufen soll. In unserem Fall war die BIM sehr erfolgreich –  das gemeinsame Ringen mit der schwierigen Aufgabe war ein gutes Teambuilding und führte bei uns zu der Haltung:  „Jetzt erst recht!“

Wir haben uns unter Druck besser kennen und schätzen gelernt und ein Konzept entwickelt, das uns trotz diverser Kompromisse überzeugt und von dem wir uns wünschen, dass es Wirklichkeit wird.  Unser tolles Haus mit seinem sozialen Ansatz, dem Teilen von Gemeinschaftsfläche, den guten und sinnvollen Ideen für das Erdgeschoss und für den Kiez rund ums Südkreuz darf nicht ein bloßer Traum bleiben.

In der Nacht vor Konzeptabgabe liefen die Drucker heiß

Einen wesentlichen Anteil am Ergebnis und dem konstruktiven Verlauf der Konzeptentwicklung hatte unser Architekt*innenteam. Ihnen ist ein überaus innovativer und ökonomischer Bauentwurf gelungen, der unseren Bedürfnissen, Wünschen und Möglichkeiten stark entspricht.

Im Spannungsfeld zwischen sozialem Anspruch, Nachhaltigkeit und Kostendruck haben wir gemeinsam Lösungen entwickelt, die weit mehr als faule Kompromisse sind. Dennoch: Der immense Kostendruck, der durch das Vertragswerk und die Anforderungen der BIM gegeben ist, lässt sich bei noch so viel Kreativität und Findigkeit kaum abmildern. Dieses Problem besteht fort.

Nichtsdestotrotz freuen wir uns über die vereinbarten Kooperationen mit verschiedenen Trägern und Organisationen. Nicht nur für Mieter*innen stellen die zunehmende Raumnot und die steigenden Mieten in Berlin ein großes Problem dar. Auch soziale und kulturelle Projekte und Einrichtungen sind betroffen.

Mit diesen Kooperationen stellen wir uns gegen Konkurrenz und aufziehende Verteilungskämpfe. Unser Motto „Diversität & Solidarität = Linsenität“ schließt nicht nur die zukünftigen Bewohner*innen ein, sondern potenziell alle in Kiez und Stadt. Auch wir freuen uns über solidarischen Zuspruch. Dazu braucht es neben finanzieller Unterstützung die Bereitschaft vonseiten der Politik und der BIM, Kompromisse zu machen und ein gutes Konzept, das zeigt, wohin es in Berlin stadtpolitisch gehen könnte, nicht an starren Vorgaben scheitern zu lassen. Lasst uns unseren Linsentraum verwirklichen!

 

fh

Linsen mit Milch und Käse – oder neu gemischte Karten?

Wirklich überraschend ist es nicht – das Konzeptverfahren kommt ins Stocken. Die zweite Verfahrensstufe zur „Schöneberger Linse“ startet in nicht absehbarer Zeit. Bevor es weitergehen kann, sieht das zuständige Berliner Immobilienmanagement (BIM) noch weiteren Prüfungsbedarf.

Die Bewerber*innen können wieder raus aus den Startblöcken. Beine ausschütteln, locker machen, jetzt nicht verkrampfen, den Kopf freimachen.

Fokussieren und auf die eigenen Stärken vertrauen bringt in diesem Fall aber leider nicht viel. Wer sich auf das Rennen „Konzeptverfahren in Berlin“ einlässt, kann sich zu keiner Zeit darauf verlassen, die zu bewältigende Strecke zu kennen, sie mal eben im Kopf durchgehen zu können. Auch nach dem Startschuss wird im Hintergrund an Streckenführung und Grundkonzept gebastelt. Wer sich auf Sprint einstellt, hat gleich verloren; es geht um Langstrecke, Hindernislauf und immer wieder um plötzlich auftauchende Hürden, das Ganze gerne auch mal auf Marathondistanz.

Auch nach Jahren stadtpolitischer Auseinandersetzungen auf Straßen und an runden Tischen bleibt der Eindruck bestehen, dass sich die Liegenschaftspolitik zwar in einem andauernden Reformierungsprozess befindet, die eigentlichen Weichenstellungen und Entscheidungen aber weiterhin in Hinterzimmern und Kungelrunden stattfinden bzw. gefällt werden. Wenn es um Liegenschaften geht, bleibt die Berliner Politik so transparent wie ein Glas Milch.

Abgesehen vom Ärgernis eines milchigen Politikverständnisses, mag die aktuelle Verzögerung aber Gründe haben, die sich positiv auswirken könnten. Es ist nicht abwegig, zu vermuten, dass die gegenwärtigen Koalitionsverhandlungen ihren Teil zum Stocken des Prozesses beitragen. Die Karten im Hinterzimmer werden gerade neu gemischt.
Auch hinsichtlich der Stadtentwicklungspolitik? Es macht wenig Sinn an dieser Stelle über Personalien zu spekulieren. Festzuhalten ist dennoch, dass einige der zukünftigen Entscheidungsträger*innen für deutlich andere Akzentuierungen in der Stadtpolitik stehen.

Wäre es nicht gerade jetzt an der Zeit, auf die Webfehler und Widersprüche dieses und bereits durchgeführter Konzeptverfahren hinzuweisen?
Warum sind Verwaltung und Politik nicht in der Lage oder Willens, ein Verfahren durchzuführen, bei dem für alle Beteiligten von Beginn bis zum Ende klar ist, was en detail erwartet wird? Wieso werden soziale und kulturelle Ziele formuliert, die durch die starke Gewichtung des Kaufpreises konterkariert werden? Warum fehlen konkrete Bewertungskriterien, die die allgemein gehaltenen Formulierungen über stadtpolitische Ziele wie stärkere Nutzungsbindung, Bevorzugung von gemeinwohlorientierten Konzepten, Kiezbezug, soziale Mischung, Barrierefreiheit, lange Mietpreisbindung, Mieter*innenmitbestimmung, Transparenz, etc. pp., auch Wirklichkeit werden lassen?

Es würde einer neuen Regierung mit anderen stadtpolitischen Zielsetzungen und Priorisierungen gut zu Gesicht stehen, wenn einmal das Gegenteil vom Gewohnten passieren würde: Statt zusätzliche Hindernisse und Hürden in einem Konzeptverfahren aufzubauen, könnten vorhandene abgebaut und Widersprüche abgeräumt werden.

Im Augenblick müssen sich die Bewerber*innen im Konzeptverfahren mit undurchsichtig-milchiger Politik herumschlagen, die auch noch ins Stocken kommt. Wenn Milch stockt, flockt sie auf und verklumpt, Käse entsteht. Stadtpolitisch wurde in Berlin in den letzten Jahrzehnten viel produziert, das zum Himmel stinkt. Es ist Zeit, Abschied von der Milch zu nehmen, bevor diese endgültig sauer wird. (fh)

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